In den letzten Jahrzehnten hat sich das Motorrad von einem simplen Gebrauchsgegenstand zu einem Spaßgerät entwickelt. Früher, das "Mobil" des kleinen Mannes, der sich noch kein Auto leisten konnte, wurde es durch steigenden Wohlstand und der damit verbundenen Motorisierung zunächst völlig vom Automobil verdrängt. Dies bedeutete das Ende vieler Motorradwerke. Einige Zeit danach besann man sich der Vorzüge eines "Ganzkörper-Cabriolets" und der Trend ging dahin, mit dem Motorrad als Zweit- oder Drittfahrzeug das schöne Wetter und das Freiluftgefühl auf ihm zu genießen. Mit dieser Entwicklung einher, ging und geht noch immer eine rasante Steigerung der Leistungsfähigkeit der Maschinen, aber auch vieler Unsinnigkeiten.
Ich habe all diese Veränderungen freudig mitgemacht. Mit der Besonderheit, dass ich bereits in meiner Jugend das Motorrad als ideales Reisemittel entdeckt habe. Bei kaum einer anderen Art zu reisen kommen so viele Leute unmittelbar auf dich zu. Außerdem lande ich immer irgendwo im Outback. Die Freiheit überall dort mein Zelt aufstellen zu können und nicht auf zeitgerecht gebuchte Hotels angewiesen zu sein, genieße ich bis heute. Jedoch läuft die Entwicklung und der Fortschritt bei der Technik meinen Reisegewohnheiten entgegen. Es mag ja für das Ego schmeichelhaft sein, wenn der kurdische Schafhirte, welcher auf seiner verrotteten Uralt-Jawa quer über die Bergwiese herunterkommt, dann vor deinem 100 PS-Rad steht, mit glänzenden Augen und vor Erregung glühenden Backen, stammelnd ein Ya-ma-ha hervorbringt. Ich fand das Vergnügen zweifelhaft, denn ich wäre gern dorthin gefahren, wo der Schafhirte herkam. Jedoch hinderten mich einige Zentner zuviel Gewicht und andere technische Dinge daran.
Daraus zog ich die Konsequenz. Viele Zylinder sind zu viel. Ein gutes Fahrwerk, ein großer Tank, ein kräftiger Einzylinder, diese Argumente waren schlagend. Ihr ahnt es schon. "Ready to race!" tat ich als blöden Gag einer Werbeabteilung ab. Solche Sprüche sind sehr verkaufsfördernd, aber Werbung entspricht ja oftmals nicht der Realität. Später mußte ich leidvoll feststellen, dass ich in diesem Falle besser der Werbung Glauben geschenkt hätte. Also, eine KTM LC4 Adventure wurde angeschafft. Sie war neu und machte Spaß. Sie war kein schlechtes Motorrad. Der riesige Einzylinder wollte gedreht werden, um eine fulminante Leistung zu entwickeln. Dabei entstehen allerdings Vibrationen, dass nicht nur die Finger taub werden. Unter 3000 Umdrehungen kann man nicht fahren, denn da hackt der Motor die Kette klein. Das heißt, im 1.Gang ist es nicht möglich unter ca. 20 km/h zu fahren, ohne mit der Kupplung zu spielen. Da stirbt schon einmal der Motor ab, mangels Schwungmasse. Wenn die ganze Fuhre so abrupt zum Stillstand kommt, ist es schon möglich, dass man über den Lenker absteigt. Fazit: Man prügelt im Motocross-Stil, eventuell sogar vollbepackt durch´s Gelände. Lobend erwähnen muß ich dabei das Fahrwerk, denn es hat bis heute keinen Schaden erlitten. Doch es tut im Herzen weh und hat mit meiner Vorstellung von Reisen nichts gemein. Wie man im engen Geläuf damit zurechtkommt, habe ich noch nicht herausgefunden, denn oft stehen die Bäume oder auch Felsblöcke ziemlich eng. Der Riesentank reicht im Normalfall auf der Landstraße bei einem Verbauch von rund 7 Litern für ca. 400 km. Im Gelände entsprechend weniger. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Nein, die Katie ist kein schlechtes Motorrad, sie hat mir auch viel Spaß bereitet. Sie erfüllt nur nicht meine speziellen Anforderungen. Also, eine Gewissenserforschung ist angesagt. Dabei kann ich jetzt meinem erforderlichen Profil einen Namen geben, nämlich "Motorradwandern". Mein letztes "Konsequenz ziehen" war nicht erfolgreich. Ich muß wohl sorgfältiger vorgehen.
1. Autobahnen sind langweilig, die fahre ich aus Prinzip schon lange nicht mehr. Mit Hochgeschwindigkeit zwischen Lärmschutzwänden dahinzurasen, befriedigt nicht. Lärmschutzwände scheinen eine österreichische Spezialität zu sein. Bald wartet der letzte Acker auf seinen Schutz, vielleicht wird dann die Autobahn überdacht. Für mich ist der Weg schon das Ziel, das ist der oft kürzere, landschaftlich schönere Weg über Landstrassen und wenn es geht über die Berge. Daher ist hohe Endgeschwindigkeit nicht gefragt.
2. Nachdem ich sehr oft mit vollem Gepäck in unwegsamen Gelände unterwegs bin, soll das Gefährt mit der entsprechend langsamen Geschwindigkeit bewegt werden können. In meiner Umgebung gibt es zum Glück noch einige wenige Wege, die man befahren darf und wo man zuweilen auf Wanderer zu Fuß trifft. An diesen mit forschem Tempo vorbei zu fahren entspricht nicht meinem Naturell und schwört immer ein baldiges Fahrverbot herauf.
3. Die Technik muß einfach und überschaubar sein. Man muß sich in den meisten Fällen notdürftig helfen können, eventuell mit Hilfe einer ländlichen Mechanikerwerkstätte. Dies ist ein immer schwierigeres Kriterium beim Stand der heutigen Technik. Die Elektronik macht auch vor den Motorrädern nicht Halt und eine Benzineinspritzung unterwegs zu reparieren, wird in den meisten Fällen nicht gelingen. Ohne Computerdiagnose kommen heute Motorräder auch nur mehr selten aus. Entsprechend niedriger Verbrauch ist für eine entsprechende Reichweite Voraussetzung, denn die Mitnahme von Reservekanistern ist nur beschränkt möglich. Dies geht auch mit den anderen beiden Punkten konform und wäre durch entsprechend reduzierten Hubraum machbar.
Nach ausgiebiger Recherche gefiel mir die SuzukiVanVan recht gut. Ursprünglich für Spaß in den Dünen mit einem extrem kurzen ersten Gang gebaut, versprach sie mir auch in den Bergen die entsprechenden Eigenschaften. 125 Kubikzentimeter sind zwar ein bißchen wenig, das 200er Modell gab es damals bei uns noch nicht, die Endgeschwindigkeit ist daher nur bescheiden, aber dafür hält sich der Spritkonsum mit weniger als 3 Liter/100km sehr zurück. Durch den kurzen ersten Gang sollte die Kraft am Berg ausreichen. Die Konstruktion des Motors geht in die 80er Jahre zurück und wurde im Laufe der Jahre seiner Weiterentwicklung ein unkaputtbarer Bauernmotor. Somit schienen alle erwähnten Punkte erfüllt. Natürlich mit einigen Eigenheiten. Knapp 100 km/h Höchstgeschwindigkeit sind ein bißchen wenig, aber wenigstens werde ich auf der Landstrasse nicht geblitzt. Ich war jahrelang mit dem LKW quer durch Europa unterwegs und habe gelernt, dass es nicht auf Höchstgeschwindigkeit, sondern auf Kontinuität ankommt. Mit der bequemen Sitzbank ist die VanVan auch dafür gerüstet. Soweit die Theorie.
Die Praxis scheiterte zunächst daran, dass die VanVan ein seltenes Modell ist und mir nirgends ein Anschauungsstück unterkam. Kein Suzuki-Händler hatte ein Modell, einer bot mir sogar an, einen Prospekt zu besorgen. Welch ein Service. Endlich traf ich auf der Strasse einen jungen VanVan-Fahrer und ich konnte mein Objekt der Begierde in Augenschein nehmen, probe- sitzen und fahren. Die letzten Bedenken wegen der niedrigen Sitzhöhe wurden dabei auch ausgeräumt. Der junge Bursche hatte sie erst eine Woche zuvor von seinem Vater bekommen und konnte daher auch nicht viel über das Motorrad sagen, außer seiner unbändigen Freude darüber freien Lauf zu lassen. Ziemlich angesteckt davon, ging ich nach Hause. Jetzt ward es schwierig. Ab 07 haben die VanVan´s Einspritzung, also wäre es am Besten, eine Gebrauchte bis 2006 zu kaufen. Der Gebrauchtmarkt ist nicht gerade übersät mit diesem Modell und dann noch meine Baujahrvorlieben. Damals wußte ich noch nicht, dass auch die Einspritzer keine Probleme machen. Somit war ich zunächst nur ratlos. Doch bereits eine Woche später war mir das Glück hold. 25km von meinem Wohnort Wien bot man eine VanVan 06 in einer Garage stehend mit 1024 km zu einem adäquaten Preis an. Dieses Ding war sofort meins, bekam eine neue Batterie und ich empfinde es heute 65.000 km später noch immer als Glückfall.
"Unkonventionell. Frech. Eigenständig. Wo immer die VanVan auftaucht, zieht sie mit ihrem außergewöhnlichen Styling jede Menge Blicke auf sich. Allerdings nie für besonders lange Zeit. Denn sobald die Ampel in der Stadt auf Grün schaltet, ist sie bereits auf und davon. Die VanVan 125 - das optimale Motorrad für alle die öfters mal ein Lächeln im Gesicht brauchen!" So lautet Suzukis Werbespot zur VanVan und asoziiert damit eine fulminante Beschleunigung. An der Ampel auf und davon fahren kannst Du mit der VanVan ausschließlich einem Fiaker, aber man kann im Verkehr sehr gut mitschwimmen und im ruhenden Verkehr ist man auf Grund der Wendigkeit ohnehin vorne. Das Lächeln im Gesicht bekommst Du über diesen absurden Werbespruch. Aber das Fahren mit der Suzuki macht auch abseits der Straße, trotz der geringen Leistung Spass. Mittlerweile habe ich weitere Fahrer von stärkeren Maschinen gefunden, denen das Fahren mit der VanVan Spass bereitet und keiner kann es erklären. Vielleicht liegt es doch daran, dass du in deinen Helm lächelst, weil dir danach ist und nicht, weil die Beschleunigungskräfte deine Mundwinkel Richtung Ohren ziehen. Die Suzie ist ja trotz allem im Winkelwerk eine hervorragende Fußrastenschleifmaschine.
Wenn Du mit der VanVan glücklich werden willst, solltest Du Dir die Hörner bereits abgestossen haben. Alle Dragster- und sonstigen Rennen müssen bereits absolviert sein und die Beschaulichkeit sollte Dich ergriffen haben. Der Zusatz "Adventure" trifft noch mehr auf die VanVan, als auf die KTM zu. Abenteuer kannst Du mit beiden erleben, jedoch die Besinnlichkeit des Advents gibt es nur auf der VanVan. Der Jugendliche, der bald von einem Moped auf ein Motorrad umsteigt und von mehr Leistung träumt, sollte keine VanVan ins Auge fassen.
Jedes Ding ist so stark, wie das schwächste Glied der Kette. Bei der VanVan ist dieses schwächste Glied im wahrsten Sinn des Wortes die Kette. Regelmäßiges Schmieren änderte nichts daran, dass die Serien-Kette alle paar Tage gespannt werden mußte. Trotzdem hat sie aber 10.000 km durchgehalten. Da waren auch einige tausend km im unwegsamen Gelände und am Berg dabei. Im Endeffekt gar nicht mal so schlecht, nur die immerwährende Spannerei war nervig. Bei meinen Nachforschungen im Internet fand ich ein englisches Forum, jaja, die Engländer sind in Sachen VanVan sehr rührig, in dem die Serienkette als kleines Problem bezeichnet wird www.suzukivanvan.co.uk Anmeldung erforderlich. Aus Anbieterkatalogen kann man entnehmen, dass die Serienkette eine Zugkraft von etwas über 400 kp besitzt, während verstärkte Ketten eine Zugkraft von 2000 - 2500 kp erreichen. So Eine samt neuen Ritzel und Kettenrad eingebaut, mußte ich nach 1000 km das erste Mal nachspannen und hat über 40.000 km gehalten. Dieses Problem ist einfach lösbar.
Bei dieser Gelegenheit ergibt sich die Lösung eines weiteren VanVan-Problems. Der 6.Gang ist als Schongang ausgelegt. Die kleinste Widrigkeit, wie die geringste Steigung oder auch nur leichter Gegenwind lassen die Geschwindigkeit abfallen, sodass man zurückschalten muß. Dagegen treibt einem der seltene Rückenwind vor ihm her, sofern die Straße nicht die minimalste Steigung aufweist. Daraus resultieren Höchstgeschwindigkeiten zwischen 70 - 105 km/h, je nach Wetterlage und Fahrtrichtung. Durch Veränderung der Untersetzung, also durch Tausch des Kettenritzels und/oder des Kettenrades mit anderer Zähnezahl läßt sich dieser Mangel wesentlich verbessern. Dazu habe ich ein paar Berechnungen angestellt und ein Fahrleistungs-Schaubild erstellt.
Auf jedem leichten Motorrad wird der Transport des Gepäcks für eine längere Reise problematisch. Dies ist also nicht VanVan spezifisch. Abspecken auf das absolute Minimum ist bei zwei Rädern ohnedies oberstes Gebot. Wenn dann aber Zelt, Schlafsack und Unterlagsmatte mit ihrem Volumen dazu kommen, ist man bald am Ende der Fahnenstange. Herkömmliche Gepäcksysteme haben oft das gleiche Gewicht, wie das Gepäck selbst. Damit wird jeder Spass verhindert. Ich habe dies mit Eigenbau-Haltern für Fahrrad-Packtaschen gelöst, welche sich bei einigen Ausfahrten sehr gut bewährten. Der Knackpunkt dabei ist die Anbringung, trotz des Neandertaler-artigen Auspuffs der VanVan.
Der Tank der VanVan soll kein Tank sein. Hört sich blöd an, aber ich mußte feststellen, dass viele Leute, welche die VanVan schätzen, so denken. Die Ur-VanVan hatte hier nur eine Verkleidung über dem Rahmen und den Tank unter der Sitzbank. Auf den Markt blickend hat sich Suzuki für diesen Winzling entschieden, der nicht sofort als Tank identifiziert wird. 7,5 Liter reicht für mehr als 200km und ist somit für den Alltag mehr als ausreichend. Selbst bei meiner Almrunde, als ich an einem Tag ausschließlich auf Alm- und Forstwegen in den untersten Gängen unterwegs war, gingen für 120 km nur 4 Liter in den Tank. Erstaunlich, dass sich die größere Belastung in niedrigen Gängen nicht stärker auswirkt. Mit einem 5 Liter-Reservekanister kommt man damit locker über 400 km. Und das ist mehr, als mit der KTM mit ihrem großen Fass.
Meine Verkündigung des Wortes hat hier ein Ende. David Eugene Edwards, dessen Großvater Prediger war, hat dies von der Pike auf gelernt. Daher hat dieser Multi-Instrumentalist das Schlußwort, in dem er auf die eigene Verdorbenheit und die der Menschheit schimpfend, um Erlösung flehend, die Quetsch´n presst. Woven Hand - Harm´s Way Aufgenommen im August 2007 beim Øyafestivalen in Oslo.