Karnische Almrunde
Zeitbedarf: ~5 Min.
Es ist kaum zu glauben, dass Kriege etwas Positives hinterlassen können. Doch das Erbe des 1. Weltkrieges bedeutet, dass es in den Alpen seither unzählige Wege und Straßen gibt, die der Almwirtschaft oder dem Tourismus zugutekommen. Gigantische Infanterie- und Artilleriestellungen auf den höchsten Gipfeln und in den entferntesten Winkeln erforderten eine unglaubliche Versorgungs-Infrastruktur. Da wir die Gräuel, die diese Hochtechnologie der damaligen Zeit, nicht ungeschehen machen können, nütze ich die Hinterlassenschaft zu meiner Erbauung. Die meisten minder instandgehaltenen Straßen sind eine schöne Herausforderung. Aber es gibt auch gute und gepflegte Straßen, welche durch grandiose Landschaften führen und heute ausschließlich dem Tourismus dienen.
Diesem Treiben trug ich mit immer geländegängigeren Motorrädern Rechnung. Zu guter Letzt wollte ich aber nicht Motocross-Fahren, sondern wandern. Dies animierte mich zum Kauf der VanVan. Auf dieser Reise muss sie nun zeigen, ob sie meinem Ansinnen gewachsen ist.
Mit zwei Packtaschen und einem Topcase ausgerüstet, soll die Reise in die Karnischen Alpen und nach Friaul führen. Ohne genaue Planung ist die Dauer mit 1-2 Wochen festgelegt. Von einem zu suchenden Standort sollen einige bekannte und auch mir unbekannte Ziele befahren werden. Dann Standortwechsel usw.
Anfahrt
Zum Abreisetermin, Ende August, macht sich ein riesiges Tiefdruckgebiet über uns breit. Der Wetterbericht prophezeit Dauerregen. So habe ich es am Vorabend mit dem Packen nicht eilig und auch am Morgen schlafe ich gründlich aus. Während des gemütlichen Frühstücks hört der Regen auf und unerwarteter Weise kommt die Sonne durch. Jetzt aber rasch fertig packen. Über der Neugier, wie die erstmals vollbepackten Taschen auf die neuen selbst gemachten Halter passen, lasse ich die Schlüssel in der Wohnung liegen. Ausgesperrt. Zum Glück, sind die Bekannten, welche meine Reserveschlüssel haben, zu Hause und ich brauche sie nur abholen. Um 14 Uhr sitze ich dann endlich auf der Suzie, die Sonne scheint, das Tiefdruckgebiet kennt den Wetterbericht scheinbar nicht und mich packt nun endlich das Reisefieber. Klammhöhe, Ramsau, Ochssattel, Mariazell, Salzatal. Meine Vorstellung einer Route nach Kärnten.
Trotz Sonne wird es abends schnell kühl. Ich suche mir noch vor dem Gesäuse einen Gasthof.
Aufstehen, Frühstücken, ab ins "Xeis". Blauer Himmel, angenehme Frische, grandios. Mein Bergsteigerleben hat mir hier mit mehreren Freunden zahlreiche, wunderschöne Erlebnisse beschert. Bei diesem Wetter die Wände und Grate betrachtend kehren viele, auch fast vergessene Erinnerungen zurück.
Es hat sich viel verändert hier, seit meinen Kletterzeiten. Das "Xeis" ist ja jetzt endlich Naturpark geworden. Ich biege ins Tal von Johnsbach ein. Bis zum Talschluß muss ich, denn ich will erkunden, ob für spätere Touren vielleicht eine Möglichkeit besteht mit der Suzie weiter … Ich habe nämlich gehört, dass für Mountainbiker Wege geöffnet wurden. Aber, motorisiert - keine Chance. Wie blöd von mir, dies anzunehmen, wo es doch jetzt Naturpark ist.
Und dem Bergsteigerfriedhof muss ich auch einen Besuch abstatten. Ich gehe normalerweise nicht auf Friedhöfe. Aber zu zwei Friedhöfen habe ich eine Beziehung. Einer ist in Sighet, Rumänien mit blauen Holzkreuzen und Geschichten über die Beerdigten bemalt. Der andere ist hier in Johnsbach. Hierher wurde ich von meinen Eltern bereits als Kind geführt, da sie in ihrer Jugend, dies war die Arbeitlosenzeit der Zwischenkriegsjahre mit einem Wecken Brot und einem Becher Schmalz hierher kamen, um Berg zu steigen. Zu Fuß oder eventuell mit einem Fahrrad kamen viele von Wien und anderen Städten her. Dies war die Zeit der Erschließung der Gesäuseberge. Geschlafen wurde im Heu, diese Umstände und die unvollkommene Ausrüstung haben natürlich zu vielen Unfällen geführt. Das Geld für Überführungen der Toten hatten nur wenige, viele wurden in Johnsbach begraben. Auch Bekannte meiner Eltern fanden hier ihre letzte Ruhe. Deren Gräber kenne ich nicht, aber die Geschichten meiner Eltern berühren mich bis heute.
Weil ich grade so drauf bin, wähle ich den Sölkpass wegen seiner Abgeschiedenheit und Lieblichkeit als nächsten Übergang. Hier hat noch kein Run stattgefunden. Aber auch hier werden die Leute immer mehr und die Abgeschiedenheit wird bald Geschichte sein. Das Murtal aufwärts in den Lungau geht es über den Katschberg und durch das Liesertal nach Spital/Drau. Über Greifenburg erreiche ich Hermagor. In dieser Gegend werde ich für die nächsten Tage Quartier beziehen.
Langsam durch das Gailtal gondelnd, erreiche ich Jenig. Einen kleinen Ort mit einem kleinen Platz mit einem Brunnen. Eine Bank lädt mich zu einer Zigarettenpause ein. Ich hatte früher einen Hund, so ein zotteliges, liebenswertes Mischlingsmonster. Hier in diesem Ort kommt nun ein junger Hund auf mich zu, der vom Habitus und Aussehen ein Nachfahre meines Hundes sein könnte. Sehr verspielt holt er seine Streicheleinheiten und wechselt dann zum Brunnen um Wasser zu saufen. Vorsichtig setzt er Pfote vor Pfote bis er ständig saufend bis über den Bauch im Wasser steht. Anschließend verlässt er den Brunnen, läuft zu mir um sich abzuschütteln und um an mir hoch zu springen. Es ist so schönes Wetter heute, dass ich keine Motorradbekleidung anhabe. Der Hund versucht dieses abwechselnde Brunnen- und Michbespring-Spiel zu wiederholen. Ich möchte die Flucht ergreifen, komme aber nur bis zum Motorrad. Ich sitze zwar, aber der Hund springt an mir hoch, jaulend versucht er immer wieder hoch zu springen, bis er vor mir, sozusagen auf meinem Schoß sitzt. Eine ältere Dame kommt auf uns zu und lacht. Als sie hier ist, trollt sich der Hund endlich. Ich bin dreckig und nass, von oben bis unten. Sie erklärt mir, dies sei der Hund vom Wirt und die hätten ihn erst seit ein paar Tagen. Ich erwidere, dass ich ohnehin ein Zimmer benötige und sie zeigt auf das nächste Haus und bietet mir ein Zimmer an. Das ist Quartiersuche auf kärntnerisch. Der Hund war sicher schon abgerichtet, um Gäste zu akquirieren